Wie gefährlich ist es, Männer im Netz kennen zu lernen?

Im September 08 trug meine Freundin sich als Suchende bei LOVEPOINT.de im Netz ein. Sie hat keinen Internetanschluss, deshalb habe ich ihr dabei geholfen. Eine Frau kann sich vor Angeboten innerhalb weniger Tage da kaum noch retten, besonders wenn es nur um Seitensprung geht.

Nun hatte sie aber das Glück, nach wenigen Wochen ein Profil eines Mannes zugesandt zu bekommen, in dem ein Mann offen von seiner Betroffenheit von Depressionen schrieb. Sie war sehr aufgeregt vor dem ersten Treffen, und der Mann hielt, was er versprach.

Nun setzten wir uns zusammen hin und wollten LOVEPOINT.de vorschlagen, diesen Mann doch zum „Mann des Monats“ zu bestimmen, wenn es eine solche Institution in dieser Webseite gebe. Uns fiel ins Auge, dass es durchaus einen „Highlight-Kontakttipp“ mit einem deutschen Chuck Berry-Verschnitt gibt. Dieser knackige Super-Typ, der dort abgebildet ist, arbeitet vielleicht als Model? Welches super heile Selbstbild soll eine Frau haben, um einem Mann wie diesem begegnen zu wollen? Oder begegnen zu können/ dürfen?

Beim Heraussuchen der Kontaktmöglichkeit zu LOVEPOINT.de gerieten wir zufällig auf die „Häufig gestellten Fragen“ (FAQ). Und was wir dort am Ende der Seite lesen mussten, war nicht schön für uns:

Unter „Potentielle Risiken beim Online-Dating“ wird als Risiken durch Mitnutzer u.a. „Physische Bedrohung“ genannt. Es wird herausgehoben, dass bei LOVEPOINT nur „eine sehr niveauvolle Gesellschaft“ angesprochen werde. Im zweiten Satz dann: „Der typische ´Psycho´, der hauptsächlich in Kontaktanzeigen-Portalen unterwegs ist, weil er dort innerhalb von Minuten hunderte Menschen wahrlos (Druckfehler im Original, H.O.) kontaktieren kann, gibt sich nicht dem seriösen und kontrollierten Treiben einer Agentur-Dienstleistung hin.“

Und was macht LOVEPOINT.de hiergegen, fragten wir uns? In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird eine Geldstrafe von 6.000,- € gegen Missbrauch angeführt. Und dass es seit 1999 noch keine negativen Erfahrungen gegeben habe. Na, ist ja wunderbar! Aber ob das wirklich an der ach so sehr niveauvollen Gesellschaft in diesem Portal liegt?? Was da an Profilen von Männern als Angebote kommt, wirkt nicht zwingend so niveauvoll, sondern oft auch billig, ohne Bild, ohne viel Text, also nicht einladend und selbst-schätzend.

Da wir hier eine Diskriminierung unserer „Spezies“ gesehen oder gefühlt haben, haben wir weiter gesucht nach Kontaktierungsmöglichkeit des Hauses. Beschwerde gab es nicht als Rubrik, aber immerhin Verbesserungsvorschläge. Dorthin formulierten wir folgendes:

„Sehr geehrte Damen und Herren.

Es handelt sich hier nicht nur um einen Verbesserungsvorschlag, sondern um handfeste Kritik. Ich fordere Sie auf, in der letzten Ihrer unter FAQ behandelten Fragen zu „physischer Gewalt“ den Satz beginnend mit „Der typische ´Psycho´…“ zu ändern. Ich entziehe Ihnen sonst meine Mitgliedschaft über kurz oder lang. DEN Psycho an sich gibt es nicht – wo sollte der anfangen, wo aufhören?? Sie unterstellen den „typischen Psychos“ per se, Vergewaltiger oder Gewalttägige an sich und immer zu sein und bedienen hier ein sehr übles und gängiges Klischee. Es sind ganz andere Menschen, die gewalttätig werden. Psychos werden das, wenn überhaupt, eher gegen sich selbst.

Ich bin selbst psycho, was ich aber in mein Profil des Kontaktes hier mal eins nicht hinein geschrieben habe. Ich arbeite in einem Schulprojekt des Dem Paritätischem Wohlfahrtsverbandes (DPWV) Berlin mit, in dem wir in Schulen gehen, um genau gegen diese gängigen Vorurteile anzugehen.

Mein ursprünglicher Grund, heute diese Kontaktseite anzusteuern, betrifft nämlich genau den Umgang mit einem „Psycho“: Ich durfte durch Ihre Website einen ganz zarten Mann kennen lernen, der in seinem Profil mutig seine Depressionen benannte! Und ich wollte Ihnen vorschlagen, genau diesen Mann zum „Mann des Monats“ zu machen. Es handelt sich um das Profil (…). Wen interessiert denn als Frau ein Chuck Berry-Verschnitt als Highlight-Tipp des Tages??

Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen eine Frist setzen sollte. Weil das hat mit Menschenliebe absolut nichts zu tun, mit einem BILDniveau hier gegen „so genannte Psychos“ anzugehen. Und ich bitte definitiv um Beantwortung dieser Mail.

Mfg (…)“

Wunderschön, dass ich berichten kann, dass nur zwei Wochen später der Support von LOVEPOINT.de der Freundin geantwortet hat, dass der Satz geändert wurde, und zwar nun mit „Menschen mit unseriösen Interessen…“ beginnt. Da niemand verärgert werden solle…

Ob die wirklich begriffen haben, worum es geht? Na, egal, wir beide freue uns mal eine Runde… Und eine Rubrik „Mann des Monats“ gebe es noch nicht, aber dieser oben erwähnte Chuck Berry- Verschnitt erhalte tatsächlich viele Rückmeldungen… Sollte dies ein gutes Zeichen über den inneren Zustand unserer bundesdeutschen Frauen sein? Eigentlich wäre das ja ganz schön…

Heike Oldenburg

Oktober 2008