Olympe de Gouges – behindert und ermordet durch die Verhältnisse

Olympe de Gouges (1748 – 1793), eine revolutionäre Schriftstellerin der Französischen Revolution, ist die Ahnfrau des Feminismus. Sie ist und bleibt auch heute eine bizarre und widersprüchliche Gestalt. Bis heute ist ein Wunschtraum von ihr nicht voll realisiert: die volle Anerkennung der Frau als Subjekt und als gleichberechtigtes Individuum.

De Gouges wurde am 7. Mai 1748 in Montauban im okzitanischen Süden Frankreichs nahe Toulouse geboren, wohl als illegitime Tochter des Marquis Jean-Jacques Le Franc de Pompignan, der sie aber wohl nicht anerkannte. Ihre Mutter Anne-Olympe heiratete den Fleischer Pierre Gouze. De Gouges bekam keine Schulbildung und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sie war Autodidaktin. 1765 wurde sie als 16-jährige gegen ihren Willen mit dem Koch Aubry verheiratet. Sie konnte dabei die Heiratsurkunde selbst unterschreiben – eine Seltenheit damals, denn 85% der Frauen auf dem Lande waren Analphabetinnen. Die Familie gehörte in die Kategorie wohlhabender Kleinbürger. Der Ehemann verstarb zwei Jahre später. Aufgrund von Überschwemmungen und Seuchengefahr in der Region im Jahre 1767 ging de Gouges mit ihrem Sohn Pierre nach Paris. Sie heiratete nicht wieder und lebte fortan als femme galante („Begleiterin“), da sie für die freie Liebe war. Eine langjährige Beziehung mit Jacques Biétrix de Rozières war in jeder Beziehung gut für sie, da er sie in oppositionelle und literarische Kreise einführte.

1778 begann de Gouges ihre eigene literarische Karriere. Sie produzierte innerhalb weniger Jahre insgesamt 14 Komödien, zwei Romane, mehrere Geschichten und andere politische Texte. Ihr Stil war insgesamt humorvoll, gelassen und ironisch. Bei ihrem ehrgeizigen Schreiben von Theaterstücken mit tagespolitischem Inhalt ab 1780 entwickelte sie als Markenzeichen einen persönlich-pathetischen Ton. Bereits 1784 schrieb sie „Zamore et Mirza, ou l`Heureux Naufrage“ („Zamore und Mirza, oder der glückliche Schiffbruch“), das erst 1789/90 als „L`Esclavage des Noirs“ („Die Versklavung der Schwarzen“) dreimal aufgeführt wurde. Die Themenwahl war für die damalige Zeit erstaunlich, da Menschenhandel noch gang und gäbe war. Ihre provozierende Naivität und ihr humanistisches Engagement waren schon in dieser Geschichte sichtbar. Ihr Hauptthema blieb die Sklaverei: zuerst der Neger, dann der Frauen, der Novizinnen innerhalb der Kirche, der illegitimen Kinder gegenüber den Vätern, etc. In den Vorworten in de Gouges´ literarischen Werken sind viele ideologische Bemerkungen sowie solche zur historischen Einordnung zu entdecken.

1788 verlagerte sich de Gouges´ Interesse auf die Salons und zeitgleich auf das Verfassen von patriotischen Mahnbriefen an König Louis XVI. und Marie-Antoinette, des weiteren politische Streitschriften, Broschüren in 2-3.000facher Auflage, öffentliche Briefe, Artikel in der Tagespresse sowie Plakate. Zwischen 1788 und 1793 entstanden zirka 100 Schriften.

Die welthistorisch einmalige Tat de Gouges´ war die „Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne“ („Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen“). Diese war eine Reaktion auf die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ durch die Nationalversammlung. Dort wurde die Erklärung von Männern formuliert und im August 1789 herausgegeben. Von den Formulierungen her wirkte es, als gelte sie nur für Männer. Die Erklärung de Gouges´ wurde im Oktober 1791 gedruckt. Sie war der Königin gewidmet und hieß „Die Rechte der Frau – An die Königin“.

Die „Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen“ bildete das Kernstück des längeren Textes. Analog zu den Menschenrechten enthielt sie 17 Artikel, darunter „Artikel 1: Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten.“ Der berühmteste Satz findet sich in Artikel 10: „(…) die Frau hat das Recht auf das Schafott, sie muss daher auch das Recht haben, die Tribüne der Volksvertretung zu besteigen, (…)“.

Die Erklärung wurde erst 1971 zufällig in Archiven während anderer Recherchen wiederentdeckt. Sie wird als de Gouges´ gewagtester, phantasievollster und modernster Text angesehen. Ein weiteres, sehr modernes Teilstück des Textes an die Königin war ein Entwurf für einen „Contrat Sociale“ („Sozialvertrag“) zwischen LebenspartnerInnen: „Wir (…) gehen aus eigenem Willen eine Verbindung auf Dauer unseres Lebens und auf Dauer unserer gegenseitigen Zuneigung unter den folgenden Bedingungen ein: Wir wollen unser Vermögen zusammenfügen und gemeinschaftlich verwalten, wobei wir uns (…) vorbehalten, es zugunsten unserer gemeinsamen Kinder zu verteilen, und zugunsten von Kindern, die einer besonderen Neigung entspringen; (…) dass unser Besitz direkt unseren Kindern zukommt, aus welcher Verbindung auch immer sie hervorgehen, (…).“

In weiser Voraussicht hatte de Gouges im Juni 1793 ein Politisches Testament verfasst. Am 20. Juli 1793 wurde sie dann auch bereits festgenommen. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie sich dafür aussprach, dass jedes Departement eine eigene Regierungsform wählen dürfe. Am 3. November 1793 starb de Gouges mit 45 Jahren unter der Guillotine, die Hinrichtung „fand unter mäßigem Beifall statt“. Das von ihr aufgeführte Recht der Frau auf das Schaffot wurde an ihr ausgeführt.

Hier wurde eine junge Frau gewaltsam am Weiterleben gehindert, weil sie für ihre Zeit zu eigenständige Gedanken zu mutig geäußert hatte.

Heike Oldenburg

April 2007